Beschwerde gegen die Abstimmungsbotschaft “Bern erneuerbar”

Abstimmungbeschwerde gegen die Abstimmungsbotschaft „Bern erneuerbar“ betreffend Verfassungsinitiative und Gegenvorschlag des Grossen Rates vom 3. März 2012

per Einschreiben an: Schweizerisches Bundesgericht, Avenue du Tribunal-Fédéral 29, 1005 Lausanne

Sehr geehrte Damen und Herren Bundesrichter, sehr geehrter Herr Staatsschreiber

Hiermit erheben die nachfolgenden Parteien Beschwerde gegen die im Internet aufgeschaltete Abstimmungsbotschaft zur kantonalen Volksabstimmung vom 3. März 2013, welche in den nächsten Tagen den Stimmberechtigten im Kanton Bern zugestellt werden wird: http://www.sta.be.ch/sta/de/index/wahlen-abstimmungen/wahlen-abstimmungen/abstimmungen/naechste_abstimmung.assetref/content/dam/documents/STA/AZD/de/abstimmungen/botschaft/botschaft_030313-d.pdf

1. Bund der Steuerzahler Bern (BDS), Postfach 8631, 3001 Bern
2. Junge SVP Kanton Bern, p.a. Grossrat Erich J. Hess, Postfach 6803, 3001 Bern
3. Thomas Fuchs, Grossrat und a/Nationalrat, Niederbottigenweg 101, 3018 Bern
4. Martin Schlup, Grossrat, Schüpberg 130, 3054 Schüpfen

61,4 % der stimmenden Grossräte haben im Parlament NEIN zur Initiative“Bern erneuerbar“ gesagt.
37,7 % der stimmenden Grossräte haben im Parlament NEIN zum Gegenvorschlag gesagt und 6 % der Grossräte haben sich der Stimme enthalten. Somit haben fast 44 % auch den Gegenvorschlag nicht unterstützt.

Im Abstimmungsbüchlein finden die Stimmberechtigten nun eine Zusammenfassung was die Initiative und was der Gegenvorschlag will (Seiten 2 und 3). Auf Seite 4 erhält das Initativkomitee eine ganze Seite die Gelegenheit, ihre Initiative im besten Lichte positiv zu präsentieren. Auf Seite 5 erfolgt erneut eine Gegenüberstellung von Initiative und Gegenvorschlag. Die Ziele werden Wort für Wort identisch beschrieben. Bei den Terminen erfolgt eine Differenzierung, jedoch kein einziger negativer Punkt.

Bei den Argumenten auf Seite 6 werden je drei Abschnitte mit Pro-Argumenten für die Initiative und daneben 3 Abschnitte mit Pro-Argumenten für den Gegenvorschlag optisch dargestellt.

Auf den Seiten 7 und 8 erfolgen nochmals die Beschlüsse zu Initiative und Gegenvorschlag.

Vergeblich sucht man nach einer Erwähnung der ablehnenden Punkte gegen die Initiative und der ablehnenden Punkte gegen den Gegenvorschlag.

Von den nachfolgenden, während der diversen Grossratsdebatte eingebrachten negativen Punkten zur Initiative und zum fast identischem Gegenvorschlag findet man kein einziges in der Abstimmungsbotschaft. Beispiele gäbe es unzählige und zwar aus fast allen bürgerlichen Parteien und Mitteparteien und zwar während allen Beratungen im Parlament:

Zitat aus Tagblatt des Grossen Rates: für die Kommissionsminderheit von 40 % hält Minderheitssprecher Grossrat Gerhard Fischer fest: „Aus Sicht der Energie sind sowohl der Gegenvorschlag wie die Initiative nicht umsetzbar, nicht realistisch, sie basieren auf zu vielen Annahmen. Aus rechtlicher Sicht bestehen grosse Bedenken hinsichtlich der Umsetzung. Übrigens: Der Regierungsrat des Kantons Zürich hat die Volksinitiative «Strom für morn» für teilweise ungültig erklärt, weil sie Bundesrechtwiderspreche. Und, dies für Bürgerinnen und Bürgerim Kanton Bern: die Kosten würden die Hauseigentümer und Mieter tragen, und es könnte zu Zwangssanierungen führen.

Alfred Schneiter, Grossrat EDU hielt fest, Zitat: Das Volk soll entscheiden, und es soll die Verantwortung wahrnehmen und sagen, ob es die aus der Initiative erwachsenden Kosten tragen will. Diese Kosten werden ständig höher veranschlagt. Es wird um Milliarden gehen. Die Rede ist von Netzerneuerungen, neuen Anlagen, Haussanierungen. Wer soll das bezahlen? Wir werden noch staunen, das wage ich hier und heute zu sagen. Deshalb sind wir gegen die BDP-Anträge, aber auch gegen den Gegenvorschlag der Kommission. Wir werden beides ablehnen, weil wir der Meinung sind, die Initiative gehöre vors Volk.

Adrian Haas, Grossrat FDP hielt fest, Zitat: Was heisst 100 Prozent erneuerbarer Strom im Kanton Bern? Das heisst, Sie dürfen keinen Strom mehr aus Gas, Kohle und Kernkraft beziehen; der europäische Mix ist verboten; der Kanton Bern profiliert sich als Insel im schweizerischen Strommarkt mit einer Regulierung, die kein anderer Kanton kennt. Es ist auch ein Widerspruch zum Bund. Der Bund geht davon aus, dass mindestens ein Restbedarf aus fossilthermischer Stromproduktion, das heisst WKK- und Gaskombikraftwerken, gedeckt werden muss. Der Strom ist das Lebenselixier der Wirtschaft, insbesondere auch unserer Exportwirtschaft, und das darf man nicht aufs Spiel setzen.

Ueli Lehmann, Grossrat BDP hielt fest, Zitat: Die Vorredner haben wiederholt gesagt, man könne mit Energieeffizienz, Energiesparen und Sanierungsmassnahmen viel erreichen. Dem stimmen wir vollumfänglich
zu, geben aber zu bedenken, dass allein die Sanierung von Altbauten auf Minergie-P den Kanton Bern rund 55 Mrd. Franken kosten wird. Das sind pro Jahr 1,25 Mrd. oder etwa 6000 Vollzeitstellen für Arbeitnehmende, die in diesem Bereich tätig sind. Als KMUler müsste ich sagen, super! Aber wir haben schlichtweg die entsprechenden Leute nicht. Wir werden leider nicht 6000 Vollzeitstellen mit Isoleuren und Polybauern haben, die Altbauten sanieren können. Das heisst, wir müssen die Aufgabe mit Entsandten lösen, was einen grossen finanziellen Mittelabfluss im Kanton Bern zur Folge haben wird. Das ist einer der Punkte, weshalb nicht
alle in unserer Fraktion an die Zielerreichung glauben können.

Erich Hess, Grossrat SVP hielt fest, Zitat: Es geht nicht hauptsächlich um die Frage Kernausstieg ja oder nein, sondern um die Enteignung von Liegenschaftsbesitzern bzw. deren Heizungen, weil man dann nicht mehr mit Gas und Heizöl heizen darf. Es geht in dieser Diskussion nicht um die Kernkraft, denn diese wird
auf Bundesebene geregelt.

Es handelt sich hier um Einzelvoten aus der Junisession. Die Vorlagen waren mehrmals Gegenstand der Beratungen und die Gegenargumente wurden immer und immer wieder wiederholt. Trotzdem finden diese im Abstimmungsbüchlein mit keinem Wort auch nur den Hauch einer Erwähnung.

Gemäss Regierungsratsbeschluss RRB 909/06 (Richtlinien des Büros des Grossen Rates zu Verfahren und Gestaltungen der Abstimmungserläuterungen) darf es nicht zu unzulässigen Beeinflussungen der Stimmberechtigten durch die Behörden kommen. Die Erläuterungen müssen sachlich und ausgewogen sein. Auch ist den Gegenargumenten Rechnung zu tragen. Im Vorliegenden Abstimmungsbüchlein ist dies klar nicht der Fall.

Gemäss Punkt 5 der Richtlinien müssen die Erläuterungen sachlich und die Ausführungen richtig und widerspruchsfrei sein. Zu erwähnen sind sämtliche entscheidrelevanten Informationen. Weiter müssen die Erläuterungen ausgewogen, nicht aber neutral sein. So ist es etwa zulässig, auf Mängel einer Initiative hinzuweisen. Dies ist in der vorliegenden Abstimmungsbotschaft klar nicht der Fall.

Ferner sollen Abstimmungserläuterungen die wichtigsten Gesichtspunkte enthalten. Sie dürfen nicht einseitig sein und bloss die Argumente der Behörden enthalten. Den Gegenargumenten ist Rechnung zu tragen. Im vorliegenden Abstimmungsbüchlein wird den Gegenargumenten mit keinem einzigen Punkt Rechnung getragen.

Gemäss Punkt 7 werden für jede kantonale Vorlage Hinweise zu den parlamentarischen Beratungen (Tagblattauszüge der ersten und zweiten Lesung) aufgeschaltet. Dies ist bis heute auf der Homepage nicht erfolgt. http://www.sta.be.ch/de/index/wahlen-abstimmungen/wahlen-abstimmungen/abstimmungen/naechste_abstimmung.html

Aus den erwähnten Gründen ist die Abstimmungsbotschaft klar rechtswidrig, irreführend, unlauter und unzulässig, weil diese absolut einseitig ist und ausschliesslich die Argumente der Behörden und der Befürworter der Initiative und der Befürworter des Gegenvorschlages enthält.

Die Unterzeichnenden verlangen, dass sämtliche Stimmberechtigten mit den Gegenargumenten zu Initiative und Gegenvorschlag umgehend auf dem Postweg ebenfalls bedient werden und die Gegenargumente zu Initiative und Gegenvorschlag auch im Internet aufgeschaltet werden. Ebenfalls sind die bernischen Medienschaffenden entsprechend zu informieren.

Die Unterzeichnenden erheben hiermit zudem vorsorglich eine Stimmrechtsbeschwerde, falls nicht noch eine ausgewogene Darstellung an die Stimmberechtigten erfolgt oder die Abstimmung abgesetzt und auf ein neues Abstimmungsdatum verlegt wird und dannzumal eine ausgewogene und den Richtlinien entsprechende Abstimmungsbotschaft versandt wird.

Bund der Steuerzahler Bern, Thomas Fuchs

Junge SVP Kanton Bern, Martin Schlup

Kopie an:
Staatskanzlei des Kantons Bern
Herrn Dr. Kurt Nuspliger, Staatsschreiber
Postgasse 68
3000 Bern 8

Diesen Beitrag teilen:

Facebook
Twitter
LinkedIn
WhatsApp