Die Konzernverantwortungsinitiative (KVI) greift gemäss Thomas Fuchs, Kandidat der Gemeinderatswahlen in Bern sowie Präsident der SVP Stadt Bern und Geschäftsführer des Bundes der Steuerzahler Schweiz, die Grundprinzipen unseres Rechts- und Wirtschaftssystems an. 99 Prozent der Schweizer Unternehmen verhalten sich vorbildlich. Deshalb lehnt er die KVI, über die am 29. November abgestimmt wird, ganz klar ab.
Thomas Fuchs, Sie sind gegen die Konzernverantwortungsinitiative (KVI). Was sind Ihre Hauptargumente dagegen?
Thomas Fuchs: Das einzig gute ist der Titel: «Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt». Die Konzernverantwortungsinitiative (KVI) ist extrem und schadet der Schweiz erheblich: Unter dem Deckmantel von Solidarität und Verantwortung greift das Initiativkomitee die Grundprinzipien unseres Rechts- und Wirtschaftssystems an: Die Initiative schafft die Unschuldsvermutung (Stichwort: Beweislast- Umkehr) für unsere Firmen de facto ab. Kläger aus dem In- und Ausland können damit künftig Schweizer Unternehmen ohne Belege für ihre Schuld einklagen. Zudem sollen unsere Firmen direkt auch für die Missetaten ihrer ausländischen Lieferanten geradestehen – also Verstösse, die nicht sie selbst gemacht haben. Die Initiative macht unsere Grossunternehmen, wie auch die kleinen und mittleren Betriebe (KMU), zum Freiwild für die ausländische Klage-Industrie. Ausländische Anwaltskonzerne könnten gar auf Kosten der Steuerzahlenden Gratisklagen gegen unsere Firmen einreichen. Aber: Kein Unternehmen ist gezwungen, seinen Sitz in der Schweiz zu behalten. Man darf dabei nicht vergessen, dass allein die fünf grössten Konzerne dem Schweizer Fiskus jährlich rund fünf Milliarden Franken Steuereinnahmen einbringen.
Schweizer Grosskonzerne werden von den Initianten als Übeltäter bezeichnet, die unter anderem rechtsfreie Räume ausnützen etc. Ist das nicht etwas übertrieben?
In der Tat, es ist übertrieben, wenn nicht gar gelogen. 99 Prozent der Schweizer Unternehmen verhalten sich vorbildlich. Es geht nicht an, dass wir ein Haftungskonstrukt schaffen, so dass diese Unternehmen unverschuldet enormen Klagerisiken ausgesetzt werden, nur um einige schwarze Schafe zu bestrafen. Hinzu kommt, dass sich Konzerne und Firmen in der Schweiz bereits heute nicht in einem rechtsfreien Raum bewegen. Schweizer Unternehmen müssen sich an Gesetze halten und sie haften nach geltendem Recht bereits für Fehlverhalten im In- und Ausland – und auch für ihre Tochtergesellschaften im Ausland, sofern sie diese rechtlich kontrollieren. Es ist bedenklich, dass sogar die Landeskirche bei dieser Lügenkampagne mitmacht, obwohl gerade die Kirche von Zwangssteuern von Firmen am meisten profitiert.
Es ist doch für unsere Grosskonzerne wie auch KMU selbstverständlich, dass sie die Menschenrechte und internationalen Umweltstandards im Ausland respektieren!
Allerdings! Es ist für Schweizer Unternehmen eine Selbstverständlichkeit, Menschenrechte und internationale Umweltstandards einzuhalten. Es ist zudem auch eine Selbstverständlichkeit, dass Schweizer Unternehmen, welche dies unterlassen und damit Schaden anrichten, zur Verantwortung gezogen werden. Schon heute haften Schweizer Firmen für Fehlverhalten im In- und Ausland. Es ist jedoch reine Polemik, wenn man traurige Kindergesichter für eine billige Abstimmungskampagne missbraucht und behauptet, man verseuche bewusst Trinkwasser und vergifte Kinder. Gleichzeitig wählt man einen heuchlerischen Initiativtitel, weil man die Stimmberechtigten bewusst in die Irre führen will. Was wir nicht unterstützen können, ist das schädliche Haftungskonzept der Initiative, das mit unseren Rechtsprinzipien bricht: Die Initiative verlangt eine weltweit beispielslose automatische Haftung ohne Eigenverschulden für Schweizer Firmen bezüglich des Verhaltens von eigenständigen Lieferanten.
Unsere KMU wären gemäss Initianten von der Initiative ausgenommen. Stimmt das und wie stark sind KMU davon betroffen?
Auch diese Behauptung der Initianten ist falsch. Hier gilt es drei Punkte zu beachten:
- Die Initiative sieht Erleichterungen für KMU bei den Sorgfaltspflichten vor, nicht aber bei der Haftung. Um sich vor einer solchen Haftung zu bewahren, müssen die KMU künftig belegen, dass eine umfassende Sorgfaltsprüfung durchgeführt wurde – so gibt es eben im Endeffekt keine Erleichterungen für KMU.
- Bei 80’000 Schweizer KMU gibt es zudem überhaupt keine Erleichterungen, weil sie im Risiko-Sektor tätig sind.
- Zudem: Sobald ein KMU mit einem Grossunternehmen einen Auftrag abwickelt, wird das KMU von der Initiative erfasst, will das Grossunternehmen die entsprechenden Auflagen über Back-to-back Verträge weitergeben muss.
Hilft die KVI wirklich Menschen in Entwicklungsländern oder gibt die Initiative nur vor, Gutes für die Menschen in aller Welt zu tun?
Schweizer Unternehmen schaffen in Entwicklungsländern Tausende von Jobs, zahlen Steuern und tragen Schweizer Erfolgsmodelle – wie das Lehrlingswesen – in die Welt hinaus. Entwicklungsländer schätzen Privatinvestitionen, denn mit Investitionen kommt auch Know-how ins Land und die wirtschaftliche Tätigkeit wird angeregt. Die Initiative führt hingegen zu einem Rückzug von Schweizer Firmen aus Entwicklungsländern. Mit der Initiative müsste ein Unternehmen sicherstellen, dass es weder bei Tochterunternehmen noch bei sämtlichen Geschäftspartnern und Zulieferern weltweit zu Verletzungen von Menschenrechten und Umweltstandards kommt. Das ist in bestimmten Regionen, insbesondere in Entwicklungsländern, nicht möglich. Entsprechend ist zu erwarten, dass Unternehmen die Zusammenarbeit mit bestimmten Lieferanten in Risikogebieten beenden – dies dürfte vor allem kleinere, lokale Lieferanten treffen
Können Sie die Anliegen der Initianten dennoch nachvollziehen?
Selbstverständlich kann ich – und ich wage zu behaupten jedermann – die Ziele der Initiative nachvollziehen. Die Instrumente der Initiative sind jedoch extrem und schädlich. Zudem möchte ich nochmals betonen, dass es für die Schweizer Unternehmen bereits heute eine Selbstverständlichkeit ist Menschenrecht und Umweltstandards einzuhalten – und auch dafür geradezustehen, falls ein Schaden passiert.
Bundesrat und Parlament haben bei einem Nein der Initiative einen Gegenvorschlag ausgearbeitet, der die Anliegen der Initianten wie auch der Wirtschaft berücksichtig. Unterstützen Sie diese bundesrätliche Alternative und wieso?
Gut ist, dass der Gegenvorschlag grundsätzlich international abgestimmt ist und sich am Ansatz der UK, der EU, Australiens und USA orientiert. Der Gegenvorschlag ist jedoch schärfer ausgestaltet als in vielen Ländern. Es ist wichtig, dass dieser auf Verordnungsstufe noch praktikabler ausgestaltet wird.
Was passiert, wenn die KVI angenommen wird?
Die Initiative schafft neue, enorme Risiken für Unternehmen. Dies ist ein weiterer Punkt, der den Wirtschaftsstandort Schweiz ebenso schwächt, wie die gleichzeitig zur Abstimmung gelangende Volksinitiative «Für ein Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten». Man muss sich vor Augen führen: Kein Unternehmen ist gezwungen, seinen Sitz in der Schweiz zu behalten. Würden sich diese Konzerne aufgrund der schädlichen Initiative aus der Schweiz zurückziehen, liesse sich ein Abstieg der Schweiz in die B-Liga nicht mehr abwenden. Das Resultat wären «portugiesische» Verhältnisse bei uns – sei es bei den Spitälern, den Schulen und den Strassen.